Beitrag für ein Veröffentlichungsorgan der Fachhochschule Bremerhaven, 2000

Internet in der Hochschullehre - Einblicke und Ausblicke

Claudia Bremer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Universität Frankfurt/Main

Von der virtuellen Vorlesung via Videokonferenz bis zum hochschulübergreifenden virtuellen Seminar, in dem Studierende in Kleingruppen forschend eigene Projekte erarbeiten, ist ein breites Spektrum virtuelle Hochschullehre im Netz zu finden. Dieser Beitrag soll Ihnen einen kurzen Überblick über die Möglichkeiten internetgestützter Hochschullehre geben und Ihnen Adressen nennen, wo Sie weiterführende Materialien und Projektbeschreibungen finden.
 

Begleitende Online-Materialien

In den Anfängen netzgestützten Lernens und Lehrens wurde das Internet meist begleitend zu traditionellen - inzwischen zur Abgrenzung als face-to-face bezeichneten - Hochschulveranstaltungen eingesetzt. Dabei handelt es sich primär darum, begleitend zu Vorlesungen und Seminaren Materialien wie Skripte und Vortragsfolien ins Netz zu stellen, um die Studierenden beim lästigen Mitschreiben zu entlasten. Zu einzelnen Veranstaltungseinheiten können Literaturhinweise, Texte und Bilder heruntergeladen und zur Vor- und Nachbereitung eingesetzt werden. Daneben gibt es Veranstaltungsübersichten mit Zeitplänen und Inhaltsbeschreibungen wie auch Hinweise auf Ansprechpartner, Sprechstunden, weiterführende Literatur usw.. Die eingesetzten Online-Medien (meist WWW-Seiten oder PDF-Dokumente) reduzieren sich hier auf die Informationsversorgung der Teilnehmenden und bieten wenig bis keine interaktiven und kommunikativen Angebote bis auf das Verschicken von Emails. Auch wenn mit den online bereitgestellten Materialien allein kein netzgestütztes Lernen möglich ist, so handelt es sich um ein sinnvolles, nutzerfreundliches Informationsangebot, das Studierenden ermöglicht, Stoff zu wiederholen, auf vergangene Sitzungen zurückzugreifen und sie beim Mitschreiben und bei der Informationsversorgung entlastet. Für die einzelnen Lehrstühle und Professuren lassen sich häufig verwendete Skripte und Dokumente auf diese Art verteilen, ohne deren Bereitstellung auf Öffnungszeiten und Sprechstunden reduzieren zu müssen. Ist die Aufbereitung der Dokumente jedoch noch sehr aufwendig, lohnt sich oft nur durch wiederholte Nutzung.
 

Lernen mit Online-Materialien

Soll anhand von Online-Dokumenten eine Möglichkeit des netzgestützten Selbststudiums ermöglicht werden, so ist darauf zu achten, daß die Dokumente in Aufbau und Format nicht eins zu eins an bisherigen, gedruckten Materialien ausgerichtet werden. Hier sollte die Multimedialität und Hypertextstruktur genutzt werden! Neben sinnvollen Verknüpfungen zu Glossaren, weiterführenden Quellen oder ergänzenden Links können die Dokumente farbige Bilder, Sounds, Videos und Animationen enthalten, was ein entscheidender Vorteil gegenüber gedruckten Materialien ist. Skripte können direkt mit Online-Aufgaben, Selbsttests und erläuternden Animationen verbunden und in einzelne Lernmodule zerlegt werden. Wichtig ist dabei vor allem, daß sich die Aufbereitung der Dokumente an der technischen Ausstattung und Medienkompetenz der Studierenden ausrichtet. Was nützt die beste Videosequenz, wenn nur wenige Teilnehmende sie online verfolgen können!
 

Kommunikation und Kooperation im Netz

Richtig interessant wird der Einsatz des Internet in der Hochschullehre aber vor allem, wenn seine kommunikativen und kooperativen Potentiale genutzt werden! Das haben schon einige Hochschulen erkannt und in Einzelprojekten oder gar hochschulübergreifenden Plattformen Veranstaltungen entwickelt, welche die Kommunikationsmedien des Internet wie Email, elektronische Foren, Chats und Videokonferenzen nutzen. In virtuellen Tutorien chatten beispielsweise studentische Kleingruppen von zu Hause aus miteinander und treffen sich in wöchentlichen synchronen Sitzungen zu Rollenspielen und elektronischen Sprechstunden. In einigen Hochschulen halten Lehrende Vorlesungen, die zeitgleich an andere Hochschulen als Videokonferenz übertragen werden. Begleitend zu Vorlesungen werden elektronische Diskussionsforen angeboten, in denen sich Studierende treffen können, um sich bei Aufgaben zu helfen und Lerngruppen zu bilden. Phasen des Selbststudiums werden durch teletutorielle Betreuung per Email oder Videokonferenzsysteme begleitet. In Ingenieurstudiengängen kommen kooperative Arbeitsformen wie die dezentrale parallele Entwicklung von CAD Entwürfen zum Einsatz, welche die Studierenden auf den mögliche späteren Arbeitsalltag vorbereitet wie z.B. verteilte Konstruktion und Planung in der Automobilindustrie. Sogar virtuelle Labors kommen zum Einsatz! So hat die Fachhochschule Aaalen (www.vvl.de) ein reales Labor eingerichtet, in dem Studierende via Internet einen Roboterarm steuern. Anhand von Animationen können sie die Messung vorher simulieren und sich so auf die Übung vorbereiten.
 

Auf dem Weg zur virtuellen Hochschule?

Die virtuelle Hochschule hat inzwischen eine durchaus reale Zukunft in Deutschland. Früh hat die Fernuniversität Hagen in ihrer Vorreiterrolle einige Lehrangebote virtualisiert und ihren Studierenden mit ihrer virtuellen Universität die internetgestützte Teilnahme ermöglicht (https://vu.fernuni-hagen.de/). Inzwischen kam mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) zur Gründung der ersten virtuellen Fachhochschule (http://www.vfh.de/). Und auch im Weiterbildungsbereich tummeln sich viele Angebote: so bietet die Teleakademie der Fachhochschule Furtwangen (www.tele-ak.fh-furtwangen.de) verschiedene Kurse im Internet an, die sich an Erwerbstätige und an Weiterbildung Interessierte richtet. Fast jedes Bundesland hat inzwischen ein Projekt, das den Titel "Virtuelle Hochschule" trägt, auf den Weg gebracht (vgl. http://zahlengarten.de/~fhw/ihi/vh.html). Meist gründen sich diese Projekte auf der Kooperation verschiedener Hochschulen, die gemeinsam einen virtuellen Studiengang entwickeln und anbieten wollen.
 

Die größten Probleme liegen heute schon lange nicht mehr in der Technik sondern zum Teil in der Finanzierbarkeit dieser Angebote und vorrangig in der Übertragbarkeit der online erworbenen Leistungen. Wie kann ein Schein, den ein Studierende z.B. an der Teleakademie Furtwangen erworben hat in sein eigentliches Studium an einer traditionellen Hochschule eingebracht werden? Auf dem Weg ist ein europäisches Projekt namens CUBER, das versucht, hier über Äquivalenzkriterien und Credit-Points Abhilfe zu schaffen. Vor allem soll eine Übersicht virtueller Lehrangebote Interessierten helfen, den richtigen Kurs zu finden. Bis dahin retten sich Hochschulen über Kooperationen zwischen einzelnen Projektpartnern über dieses Problem hinweg. Ein weiterhin ungelöstes Problem stellt die Prüfungssituation dar. Noch läßt sich keine Klausur übers Internet schreiben, bei der die Identität des Studierenden und die Verwendung nur erlaubter Hilfsmittel sichergestellt werden kann. Hier müssen neue Prüfungsordnungen und andere Leistungsnachweise wie z.B. Projektarbeiten und kontinuierliche Online-Beteiligungen entwickelt werden. Die Fernuniversität Hagen hat sogar den Versuch unternommen, mündliche Prüfungen via Videokonferenzen abzuhalten und dieses Projekt als Video dokumentiert. Letztendlich wird aber auch die Finanzierung der oft aufwendig aufbereiteten Online-Kurse neu zu klären sein. Die Teleakademie Furtwangen richtet sich an Erwerbstätige und erhebt Gebühren. Doch muß diese Diskussion letztendlich für die Zielgruppe der Vollzeitstudierenden neu geführt und in einem bildungspolitischen Prozess geklärt werden, damit sich einerseits nicht durch die Hintertür Gebühren einschleichen oder andererseits virtuelle Lehrangebote von externen Teilnehmenden in Anspruch genommen werden, für welche die Anbieter eigentlich keine Ressourcen frei haben. Bisher werden hier äußerst unterschiedliche Wege begangen. Während einige Anbieter externe Teilnehmende kostenlos teilnehmen lassen und das Ganze als Experiment betrachten, erheben andere Gebühren und richten sich an neue Zielgruppen.
 

Weiterführende Links, Texte und Tagungen finden Sie unter URL: www.edulinks.de