Kurzkommentar für die Plattform www.cycamp.at, August 2000

Aspekte auf dem Weg zur Virtuellen Hochschule

Claudia Bremer

Was vor allem in den angelsächsischen Ländern schon länger Einzug hält, wird nun auch zunehmend im deutschsprachigen Raum als wichtige Entwicklungschance erkannt: die Virtualisierung im Hochschulbereich. PolitikerInnen wie auch Hochschullehrende ergreifen Maßnahmen, um diese Entwicklung voranzutreiben und haben Förderprogramme, Projekte und Konzeptionen aufgestellt, um möglichst schnell den Anschluß zu finden. Dabei beziehen sich diese Maßnahmen vor allem auf die Virtualisierung der Hochschullehre, doch auch Bibliotheken, Wissensmanagement, Informationsangebote für Studierende und Interessierte und die Verwaltung werden zunehmend von den Virtualisierungstendenzen betroffen.

Die Ziele der Maßnahmen gehen in zwei Richtungen: zum einen sollen Präsenzhochschulen attraktiver werden und durch multimediale Angebote Studierenden zusätzlichen Nutzen schaffen. Zum anderen wird versucht, neue Zielgruppen zu erschließen und in Bereiche der online gestützten Fernlehre vorstoßen. Gleichzeitig finden auch Veränderungen auf Seiten der Anbieter der Lehrinhalte statt: in hochschulübergreifenden Kooperationen beteiligen sich verschiedene Anbieter an gemeinsamen Studienprogrammen oder teilen entsprechend ihren Kompetenzen Funktionen wie Bereitstellung der Infrastruktur, Erstellung der Lehrinhalte und Betreuung der Veranstaltungen unter sich auf.

Wichtig bei diesen Trends sind nach Ansicht der Autorin vor allem folgende Aspekte:

Die Loslösung und Überwindung von bestehenden Veranstaltungsformen und traditionellen Vermittlungsformen: Es macht keinen Sinn, eine komplette Vorlesung 1:1 in das Internet zu übertragen und dabei die kommunikativen und kooperativen Potentiale der neuen Kommunikationsdienste ungenutzt zu lassen. Hier braucht es oft mehr Phantasie und didaktische Vielfalt auf Seiten der Anbieter, neue Lehr- und Lernmethoden anzuwenden und neue Formen lerner-zentrierter Lehre zu finden.

Intensive Kooperationen auf Seiten der Veranstalter: Glücklicherweise haben PolitikerInnen diese Notwendigkeit erkannt und fördern vor allem hochschulübergreifende Maßnahmen, in denen sich Hochschulen wie virtuelle Unternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren und gemeinsam Veranstaltungsangebote und Studienprogramme entwickeln. Zwar ist eine Pluralität der Angebote unbedingt notwendig, gleichzeitig müssen nicht alle technischen Neuerungen an mehreren Institutionen parallel entwickelt werden. Hier helfen OpenSource-Initiativen wie beispielsweise CampusSource in Nordrhein-Westfalen.

Organisatorische Anpassungen: Nur durch Anpassungen bestehender Organisationsstrukturen können Innovationen im Bereich multimedialer Lehre langfristig Bestand haben und eine breite Schicht Studierender bedienen. Bisher hängen viele innovative Maßnahmen an einer einzelnen Person oder einem einzelnen Institut. Nur durch fachbereichs- und hochschulweite Maßnahmen können alle Disziplinen von diesen Innovationen profitieren und Entwicklungen fortbestehen.

Zertifizierung von Angeboten und Übertragbarkeit der Leistungen: Schon jetzt zeichnen sich Maßnahmen ab, bestehende Online-Angebote zu zertifizieren und damit auch die Anerkennung und Übertragbarkeit der dort erworbenen Leistungsnachweise sicherzustellen. Dies ist mittelfristig eine der grundlegenden Voraussetzungen für die weitere Verbreitung der Angebote virtueller Hochschullehre.

Nicht zuletzt sollte eins nicht übersehen werden: mit der zunehmenden Modularisierung solcher Angebote und der Übertragbarkeit der dort erworbenen Leistungen stellt sich die Frage nach der Ausgestaltung eines Hochschulstudiums neu! Welche Rolle spielen zukünftig Studienprogramme und die "Hochschulbildung"?